Zweite Vorlage Justiz-Initiative In Kürze Justiz-Initiative Ausgangslage Die Vorlage Heute wählt das Parlament die Bundesrichterinnen und Bundesrichter. Die Wahlen finden alle sechs Jahre statt. Das Parlament achtet dabei auf eine angemessene Vertretung der politischen Parteien (sogenannter Parteienproporz). Aus Sicht der Initiantinnen und Initianten der Justiz-Initiative beeinträch- tigt dieses Wahlverfahren die richterliche Unabhängigkeit. Zudem kritisieren sie, Parteilose hätten keine Chance, gewählt zu werden. Die Justiz-Initiative will ein neues Wahlverfahren einfüh- ren: Die Bundesrichterinnen und Bundesrichter sollen künftig durch das Los bestimmt werden. Wer am Losverfahren teil- nehmen darf, entscheidet eine Fachkommission. Sie soll nur Personen zum Losentscheid zulassen, die sich fachlich und persönlich für das Richteramt eignen. Die Amtssprachen müssen dabei am Bundesgericht angemessen vertreten sein. Die Bundesrichterinnen und Bundesrichter könnten ihr Amt bis fünf Jahre über das ordentliche Rentenalter hinaus ausüben. Anders als heute müssten sie sich keiner Wiederwahl stellen. Das Parlament könnte Richterinnen und Richter nur dann abberufen, wenn diese ihre Amtspflichten schwer verletzt haben oder dauerhaft nicht mehr fähig sind, das Amt auszu- üben. Vorlage im Detail 20 Argumente 24 Abstimmungstext 28 Abstimmungsfrage Empfehlung von Bundesrat und Parlament Empfehlung des Initiativkomitees Wollen Sie die Volksinitiative «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren (Justiz-Initiative)» annehmen? Nein Für Bundesrat und Parlament eignet sich das Losverfahren nicht zur Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundes- richter. An die Stelle einer demokratischen Wahl träte der Zufall. Zudem gibt es keine Hinweise, dass Bundesrichterinnen und Bundesrichter nicht unabhängig urteilen. Das heutige System hat sich bewährt. admin.ch/justiz-initiative Ja Für das Komitee können Bundesrichterinnen und Bundes- richter im heutigen System kaum unabhängig urteilen, weil sie eine Nichtwiederwahl fürchten müssen. Parteilose Kandidatin- nen und Kandidaten haben zudem keine Chance, gewählt zu werden. Die Justiz-Initiative will diese Missstände korrigieren. justiz-initiative.ch Abstimmung im Nationalrat 1 Ja 4 Enthaltungen 191 Nein Abstimmung im Ständerat 0 Ja 44 Nein 0 Enthaltungen lm Detail Justiz-1nitiative Argumente l nitiativkomitee 24 Argumente Bundesrat und Parlament 26 Abstimmungstext 28 Ausgangslage Einführung eines Losverfahrens Zulassung zum Losverfahren Heute wählt die Vereinigte Bundesversammlung (das Parlament) die Bundesrichterinnen und Bundesrichter. Die Gerichtskommission des Parlaments schreibt die freien Richter- stellen aus und prüft die Bewerbungen. Danach schlägt sie dem Parlament fachlich und persönlich geeignete Personen zur Wahl vor. Sie achtet dabei freiwillig darauf, dass die Amts- sprachen und die verschiedenen politischen Kräfte am Bundes- gericht möglichst angemessen vertreten sind. Sie kann weitere Aspekte wie das Geschlecht und die regionale Herkunft berücksichtigen. Das Parlament wählt die Richterinnen und Richter für eine sechsjährige Amtsdauer; alle sechs Jahre finden Gesamterneuerungswahlen statt. Die amtierenden Richterin- nen und Richter werden in der Regel wiedergewählt. Seit 1874 verwehrte das Parlament lediglich zwei Richtern eine weitere Amtsperiode – beiden aus Altersgründen. Die Justiz-Initiative verlangt, dass anstelle des Parlaments neu das Los die Bundesrichterinnen und Bundesrichter be- stimmt. Das Losverfahren muss dabei so ausgestaltet sein, dass die Amtssprachen am Bundesgericht wie heute angemessen vertreten sind. Wie das Verfahren darüber hinaus umgesetzt wird, überlässt die Initiative dem Gesetzgeber. Wer am Losverfahren teilnehmen darf, würde eine unab- hängige Fachkommission entscheiden. Sie dürfte ausschliesslich Personen zum Losentscheid zulassen, die fachlich und persön- lich für das Richteramt geeignet sind. Was konkret unter per- sönlicher und fachlicher Eignung zu verstehen ist, könnte der Gesetzgeber festlegen. Ernennung der Fachkommission Amtsdauer und Amtsenthebung Gemäss Initiative ernennt der Bundesrat die Mitglieder der Fachkommission für eine einmalige Amtsdauer von zwölf Jahren. Die Mitglieder müssten in ihrer Tätigkeit von Behörden und politischen Organisationen unabhängig sein. Wie sich die Fachkommission zusammensetzt, gibt die Initiative nicht vor. Einmal per Los bestimmt, könnten Bundesrichterinnen und Bundesrichter ihr Amt bis fünf Jahre über das ordentliche Rentenalter hinaus ausüben. Anders als heute müssten sie sich keiner Wiederwahl stellen. Das Parlament könnte die Richterin- nen und Richter auf Antrag des Bundesrates nur in zwei Fällen abberufen: Wenn sie ihre Amtspflichten schwer verletzt haben oder wenn sie die Fähigkeit, das Amt auszuüben, auf Dauer verloren haben – zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen. Bundesrichterwahlen Heute: Parlamentarische Gerichtskommission emp- fiehlt Kandidatinnen und Kandidaten Bundesversammlung wählt Bundesrichte- rinnen und -richter Amtsdauer: 6 Jahre Wiederwahl Bei Annahme der Initiative: Unabhängige Fach- kommission entscheidet, wer zum Losverfahren zugelassen wird Los bestimmt Bundesrichte- rinnen und -richter Amtsdauer: Pensionsalter + 5 Jahre Amtsenthebung möglich Mandatssteuer Heute zahlen Richterinnen und Richter – ebenso wie die Mitglieder von Regierungen oder Parlamenten – auf Bundesebene und in den Kantonen in aller Regel einen Teil ihres Gehalts an ihre Partei (sogenannte Mandatssteuer). Diese Zahlung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Die Mandatssteuer ist entstanden, weil die Schweiz im Gegensatz zu anderen Ländern keine staatliche Parteienfinan- zierung kennt. Die Mandatssteuer kommt im Initiativtext nicht vor. Trotzdem versprechen sich die Initiantinnen und Initianten eine faktische Abschaffung der Mandatssteuer für Bundesrichterinnen und Bundesrichter, weil diese aufgrund des Losverfahrens unab- hängiger von den Parteien wären. Das Parlament diskutiert losge- löst vom Wahlverfahren und von der Initiative über die Abschaf- fung der Mandatssteuer. Argumente Bundesgericht: unter Druck der Parteien Initiativkomitee Die Schweiz ignoriert die Gewaltentrennung zwischen Politik und Justiz als Grundsatz für einen Rechtsstaat. Im heutigen System bestimmen allein die Parteien, wer ein Amt am höchsten Gericht bekommt. Eine Richterin oder ein Richter muss einer Partei angehören und dieser jährlich eine Mandatssteuer bezahlen, damit sie oder er das Amt bekommt, obwohl schon im Bundesbrief von 1291 steht: «Wir haben einhellig gelobt, dass wir in den Tälern keinen Richter anerken- nen, der das Amt irgendwie um Geld oder Geldeswert erwor- ben hat.» Nur rund 5 Prozent der Bevölkerung gehören einer Partei an. Bestqualifizierte parteilose Bewerberinnen und Bewerber haben keine Chance, Richterin oder Richter am höchsten Gericht zu werden. Fachliche Kompetenz ist im besten Fall zweitrangig. Um im Amt bleiben zu können, müssen sich Bundesrichte- rinnen und Bundesrichter alle sechs Jahre einer Wiederwahl stellen. Mit dieser Drohung sichern sich Parteien und Behörden ihren Einfluss auf die Justiz. Das heutige System erschwert oder verhindert unabhän- gige Urteile. Rechtsuchende, die das System kennen, können kein Vertrauen in die Justiz haben. Auch immer mehr politische Entscheide werden nicht in den Parlamenten gefällt, sondern durch das höchste Gericht. Dieses entscheidet als verlängerter Arm der Behörden und Parteien – unter Umgehung der Volksrechte. Die Justiz-Initiative will Gerechtigkeit Wollen Sie unab- hängige Richterin- nen und Richter? Empfehlung des Initiativkomitees – Jede Person kann sich, ohne Parteimitglied zu sein, um ein Richteramt am höchsten Gericht bewerben. Parteien dürfen keine Ämter mehr verkaufen und Richterinnen und Richter dürfen keine mehr kaufen. – Eine unabhängige Fachkommission prüft die Bewerbun- gen auf fachliche und persönliche Eignung. – Unter den Kandidierenden, welche die Prüfung durch die unabhängige Fachkommission bestehen, entscheidet das Los. – Dieses qualifizierte Losverfahren ermöglicht allen Kandi- dierenden ohne Gesichtsverlust die mehrmalige Teilnah- me bei künftigen Richterbestimmungen. – Durch die Berücksichtigung der Landessprachen wird die kulturelle Vielfalt der Schweiz gewahrt. – Eine Wiederwahl der Richterinnen und Richter fällt weg. Die Richterinnen und Richter können bis max. fünf Jahre über das übliche Pensionsalter hinaus im Amt bleiben. – Wer die Amtspflichten schwer verletzt, kann des Richter- amtes enthoben werden. Dann setzen Sie sich ein für Gerechtigkeit. Bekämpfen Sie die Verflechtungen zwischen Politik, Justiz und Behörden. Darum empfiehlt das Initiativkomitee: Ja justiz-initiative.ch Der Text auf dieser Doppelseite stammt vom Initiativkomitee. Es ist für den Inhalt und die Wortwahl verantwortlich. Argumente Demokratische Wahl statt Losglück Ausgewogene Vertretung in Gefahr Bundesrat und Parlament Das heutige System der Bundesrichterwahl durch das Par- lament ist bewährt, demokratisch und transparent. Die Justiz-Initiative will dieses System durch ein Losverfahren ersetzen, bei dem der Zufall entscheidet. Bundesrat und Parlament lehnen die Vorlage insbesondere aus folgenden Gründen ab: Das heutige System hat sich bewährt. Heute wählt das Parlament die Bundesrichterinnen und Bundesrichter. Die Wahl ist öffentlich. Das Parlament trägt als Wahlorgan die politische Verantwortung. Das Bundesgericht ist dadurch demokratisch legitimiert. Das Losverfahren schwächt die demokratische Legitimation des Bundesgerichts: An die Stelle regelmässiger Wahlen durch das Parlament tritt eine einmalige Losziehung. Der Zufall macht dabei nicht zwingend die geeignetsten Per- sonen zu Richterinnen und Richtern, sondern jene, die am meisten Glück haben. Die Richterwahl mittels Los ist unserem Rechtssystem fremd und widerspricht der politischen Tradition der Schweiz. Kein einziger Kanton lost seine Justizbehörden aus. Heute nimmt das Parlament bei der Wahl traditionsge- mäss Rücksicht auf die Wählerstärke der politischen Parteien (Parteienproporz). Damit ist gewährleistet, dass die verschiede- nen gesellschaftlichen Strömungen und politischen Grundhal- tungen am Bundesgericht ausgewogen vertreten sind. Das stärkt die Akzeptanz der Rechtsprechung in der Bevölkerung. Im heutigen Wahlverfahren kann das Parlament zudem wei- tere Kriterien wie das Geschlecht, das Alter oder die Herkunft beachten. All dies kann ein Losverfahren nicht oder nicht im gleichen Umfang sicherstellen. Es besteht im Gegenteil das Risiko, dass gewisse Parteien, Werthaltungen, Landesteile oder ein Geschlecht für lange Zeit am Bundesgericht stark über- oder untervertreten sind. Parteizugehörig- keit schafft Transparenz Jede Richterin und jeder Richter hat einen persönlichen, kulturellen und sozialen Erfahrungshintergrund. Dieser schlägt sich in politischen Grundhaltungen nieder, unabhängig davon, ob man einer Partei angehört oder nicht. Eine Parteizugehö- rigkeit macht diese Grundhaltungen transparent. Bundesgericht ist heute unabhängig Empfehlung von Bundesrat und Parlament Gemäss Initiativkomitee urteilen Richterinnen und Richter in Abhängigkeit von den Parteien, weil sie befürchten müssen, nicht wiedergewählt zu werden. Dies entspricht nicht der Realität. Die Praxis zeigt, dass Bundesrichterinnen und Bundes- richter unabhängig urteilen. Diese Unabhängigkeit ist von der Verfassung geschützt. Das Parlament hat zudem noch nie eine Bundesrichterin oder einen Bundesrichter wegen eines Urteils nicht wiedergewählt. Aus all diesen Gründen empfehlen Bundesrat und Parla- ment, die Justiz-Initiative abzulehnen. Nein admin.ch/justiz-initiative Bundesrat und Parlament empfehlen, am 28. November 2021 wie folgt zu stimmen: Nein Justiz-Initiative § Abstimmungstext Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren (Justiz-Initiative)» vom 18. Juni 2021 Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 139 Absatz 5 der Bundesverfassung1, nach Prüfung der am 26. August 20192 eingereichten Volksinitiative «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren (Justiz-Initiative)», nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 19. August 20203, beschliesst: Art. 1 1 Die Volksinitiative vom 26. August 2019 «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren (Justiz-Initiative)» ist gültig und wird Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet. 2 Sie lautet: Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert: Art. 145 Amtsdauer 1 Die Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates sowie die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler werden auf die Dauer von vier Jahren gewählt. Die Amts- dauer der Richterinnen und Richter des Bundesgerichts endet fünf Jahre nach Errei- chen des ordentlichen Rentenalters. 2 Die Vereinigte Bundesversammlung kann auf Antrag des Bundesrates mit einer Mehrheit der Stimmenden eine Richterin oder einen Richter des Bundesgerichts abberufen, wenn diese oder dieser: a. Amtspflichten schwer verletzt hat; oder b. die Fähigkeit, das Amt auszuüben, auf Dauer verloren hat. Art. 168 Abs. 1 1 Die Bundesversammlung wählt die Mitglieder des Bundesrates, die Bundeskanzle- rin oder den Bundeskanzler sowie den General. 1 SR 101 2 BBl 2019 6271 3 BBl 2020 6821 § Art. 188a Bestimmung der Richterinnen und Richter des Bundesgerichts 1 Die Richterinnen und Richter des Bundesgerichts werden im Losverfahren be- stimmt. Das Losverfahren ist so auszugestalten, dass die Amtssprachen im Bundes- gericht angemessen vertreten sind. 2 Die Zulassung zum Losverfahren richtet sich ausschliesslich nach objektiven Kriterien der fachlichen und persönlichen Eignung für das Amt als Richterin oder Richter des Bundesgerichts. 3 Über die Zulassung zum Losverfahren entscheidet eine Fachkommission. Die Mitglieder der Fachkommission werden vom Bundesrat für eine einmalige Amts- dauer von zwölf Jahren gewählt. Sie sind in ihrer Tätigkeit von Behörden und politi- schen Organisationen unabhängig. Art. 197 Ziff. 124 12. Übergangsbestimmung zu den Art. 145 (Amtsdauer), 168 Abs. 1 und 188a (Bestimmung der Richterinnen und Richter des Bundesgerichts) Ordentliche Richterinnen und Richter des Bundesgerichts, die bei Inkrafttreten der Artikel 145, 168 Absatz 1 und 188a im Amt sind, können noch bis zum Ende des Jahres, in dem sie das 68. Altersjahr vollenden, im Amt bleiben. Art. 2 Die Bundesversammlung empfiehlt Volk und Ständen, die Initiative abzulehnen. 4 Die endgültige Ziffer dieser Übergangsbestimmung wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt.