Erste Vorlage Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» In Kürze Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» Ausgangslage Die Vorlage Indirekter Gegenvorschlag Seit mehreren Jahren werden in der Schweiz Diskussionen um ein Verhüllungsverbot geführt. Der Bundesrat und das eid- genössische Parlament sprachen sich immer gegen ein schweiz- weites Verbot aus. Auf kantonaler Ebene haben St. Gallen und Tessin ein Verhüllungsverbot für das Gesicht eingeführt. Andere Kantone haben sich dagegen entschieden. In zahlreichen Kantonen gelten Vermummungsverbote bei Kundgebungen. Die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» verlangt, dass in der Schweiz niemand sein Gesicht verhüllen darf. Diese Vorschrift würde an allen Orten gelten, die öffentlich zugäng- lich sind: beispielsweise auf der Strasse, in Amtsstellen, im öffentlichen Verkehr, in Fussballstadien, Restaurants, Läden oder in der freien Natur. Ausnahmen wären ausschliesslich in Gotteshäusern und an anderen Sakralstätten möglich sowie aus Gründen der Sicherheit, der Gesundheit, der klimatischen Bedingungen und des einheimischen Brauchtums. Weitere Ausnahmen, beispielsweise für verhüllte Touristinnen, wären ausgeschlossen. Bundesrat und Parlament geht die Initiative zu weit. Sie stellen ihr einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Dieser verlangt, dass Personen den Behörden ihr Gesicht zeigen müssen, wenn es für die Identifizierung notwendig ist. Der Gegenvorschlag sieht zudem Massnahmen zur Stärkung der Rechte der Frauen vor. Er kann nur in Kraft treten, wenn die Initiative abgelehnt wird. Vorlage im Detail 10 Argumente 14 Abstimmungstext 18 Abstimmungsfrage Empfehlung von Bundesrat und Parlament Empfehlung des Initiativkomitees Wollen Sie die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» annehmen? Nein Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab. Die Gesichtsverhüllung ist ein Randphänomen. Ein schweizweites Verbot beschneidet die Rechte der Kantone, schadet dem Tourismus und hilft den betroffenen Frauen nicht. Der Gegen- vorschlag schliesst gezielt eine Lücke: Zur Identifizierung muss das Gesicht gezeigt werden. admin.ch/verhuellungsverbot Ja Für das Komitee ist die Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum Ausdruck der Unterdrückung der Frau; sie widerspreche dem freiheitlichen Zusammenleben. Deshalb brauche es ein Verhüllungsverbot. Die Initiative richte sich auch gegen jene Verhüllung, der kriminelle und zerstörerische Motive zugrunde liegen. verhuellungsverbot.ch Abstimmung im Nationalrat 7 Enthaltungen 77 Ja 113 Nein Abstimmung im Ständerat 7 Ja 36 Nein 2 Enthaltungen 10 Erste Vorlage: Verhüllungsverbot Im Detail Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» Argumente Initiativkomitee 14 Argumente Bundesrat und Parlament 16 Abstimmungstext 18 11 Heute sind Kantone zuständig Heute gibt es kein schweizweites Gesichtsverhüllungsver- bot. Der Bundesrat und das eidgenössische Parlament haben sich in den vergangenen Jahren immer gegen ein solches ausgesprochen. In der Schweiz ist es Aufgabe der Kantone, die Nutzung des öffentlichen Raums zu regeln. Sie können dabei auch das Tragen von Kleidungsstücken verbieten, die das Gesicht verhüllen (z. B. Burka, Niqab). Die Kantone Tessin und St. Gallen haben dies getan. Andere Kantone wie Zürich, Schwyz oder Glarus haben sich gegen ein Gesichtsverhüllungs- verbot entschieden. In 15 Kantonen gilt bei Kundgebungen oder Sportanlässen ein Vermummungsverbot. Verhüllungsverbot in Kantonen SH BS TG BL AG ZH JU AR SO AI SG ZG LU SZ NE GL NW BE OW UR FR GR VD TI GE VS Kantone mit Verhüllungsverbot Kantone mit Vermummungsverbot bei Kundgebungen und/oder Sportanlässen Kantone ohne eine spezifische Regelung 12 Erste Vorlage: Verhüllungsverbot Verhüllung kann Folgen haben Initiative verlangt schweizweites Verbot Ausnahmen Eine Verhüllung des Gesichts kann bereits heute Folgen haben. Ist die Vollverschleierung Ausdruck mangelnder Integration, können die Behörden die Erteilung der Aufent- halts- und der Niederlassungsbewilligung wie auch die Einbür- gerung verweigern. Ausserdem macht sich strafbar, wer eine Person zwingt, ihr Gesicht zu verhüllen. Das ist nach schweize- rischem Recht eine Nötigung. Die Initiative verlangt ein Verbot der Gesichtsverhüllung an allen Orten, die öffentlich zugänglich sind: auf der Strasse, im öffentlichen Verkehr, in Amtsstellen, Fussballstadien, Restaurants, Läden oder auch in der freien Natur. Zusätzlich zum Straftatbestand der Nötigung will die Initiative in der Verfassung verankern, dass niemand eine Person zwingen darf, ihr Gesicht aufgrund ihres Geschlechts zu verhüllen. Die Initiative legt die Ausnahmen vom Gesichtsverhül- lungsverbot abschliessend fest: Verhüllen darf man sich in Gotteshäusern und an anderen Sakralstätten, wenn es der Sicherheit oder der Gesundheit dient (z. B. Motorradhelm, Hygienemaske), wegen des Wetters (z. B. Schal) oder wenn das Verhüllen Bestandteil des einheimischen Brauchtums ist (z. B. Fastnachtskostüm). Weitere Ausnahmen, etwa für verhüllte Touristinnen, erlaubt die Initiative nicht. 13 Indirekter Gegenvorschlag Bundesrat und Parlament haben einen indirekten Gegenvorschlag verabschiedet, weil ihnen die Initiative zu weit geht. Mit dem Gegenvorschlag wollen sie gezielt eine Lücke im Bundesrecht schliessen: Personen sollen Behörden ihr Gesicht zeigen müssen, wenn es für die Identifizierung notwendig ist. Dies gilt beispiels- weise in Amtsstellen oder im öffentlichen Verkehr. Wer sich weigert, sein Gesicht zu enthüllen, wird mit Busse bestraft. Die Behörden können diesen Personen auch eine Leistung verwei- gern. Mit dem Gegenvorschlag wollen Bundesrat und Parlament zudem die Rechte der Frauen stärken. Das geschieht mit punktuel- len Gesetzesänderungen in den Bereichen Integration, Gleich- stellung und Entwicklungszusammenarbeit. Diese Änderungen ermöglichen dem Bund, spezifische Förderprogramme zu unter- stützen und dadurch zur Gleichstellung der Geschlechter beizu- tragen. Der Gegenvorschlag tritt in Kraft, wenn die Initiative abgelehnt wird und er nicht mit einem Referendum erfolgreich bekämpft wird. 14 Erste Vorlage: Verhüllungsverbot Argumente Initiativkomitee Unsere Initiative dreht sich um zentrale Fragen des Zusam- menlebens: Wollen wir in der Schweiz Gesichtsverhüllung zulassen, welche die Unterdrückung der Frau symbolisiert? Lassen wir Chaoten gewähren, die ihr Gesicht verhüllen, um andere zu attackieren? Wir sagen: Nein! Die Erfahrun- gen aus dem Tessin und dem Ausland beweisen, dass sich Verhüllungsverbote im öffentlichen Raum bestens bewährt haben. Gerade viele arabische Touristinnen würden sich freuen, sich bei uns ihrer «Stoffgefängnisse» entledigen zu dürfen! Freie Menschen zeigen Gesicht Gebot der Gleich- berechtigung In aufgeklärten Staaten wie der Schweiz gilt: Freie Menschen – Frauen und Männer – blicken einander ins Gesicht, wenn sie miteinander sprechen. Gesichtsverhüllung im öffentli- chen Raum steht in Konflikt mit freiheitlichem Zusammenle- ben: Unsere Werte werden mit Füssen getreten, wenn sich Frauen in unserer Gesellschaft nicht mehr als Individuen zu erkennen geben dürfen. Dass Frauen ebenso wie Männer in der Öffentlichkeit jederzeit ihr ganzes Angesicht zeigen, ist ein Gebot elementa- rer Gleichberechtigung. Auf der ganzen Welt kämpfen Frauen für diese Freiheit und versuchen unter Inkaufnahme grosser Opfer, dem Zwang zu Verhüllung und Unterwerfung zu ent- fliehen. Ein Verhüllungsverbot spöttisch als «Kleidervorschrift» abzutun, ist ein Hohn gegenüber allen Frauen, die unter den Auswüchsen eines radikalen Islams leiden. Für Sicherheit und Ordnung Unsere Initiative richtet sich ausdrücklich auch gegen jene Verhüllung, der kriminelle und zerstörerische Motive zugrunde liegen. Ein landesweit gültiges Verhüllungsverbot schafft Rechtssicherheit: Die Sicherheitsorgane erhalten Rückenwind und den Auftrag, gegen vermummte Straftäter konsequent vorzugehen. 15 Kein Konflikt mit Religions- und Meinungsfreiheit Covid-19 tangiert die Initiative nicht Empfehlung des Initiativkomitees Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hielt in einem Urteil von 2014 fest, dass das Verbot von Burka und Niqab in der Öffentlichkeit verhältnismässig ist und weder die Religions- noch die Meinungsfreiheit verletzt. Burka und Niqab werden im Koran mit keinem Wort erwähnt. Kein Wunder, lehnt ein Grossteil der Muslime die Ganzkörperverhül- lung von Frauen ebenso ab wie die meisten Nichtmuslime. Zur Eindämmung von Covid-19 haben Bund und Kantone bekanntlich verfügt, an bestimmten Orten seien Hygienemas- ken zu tragen. Diese zeitlich begrenzte Massnahme tangiert unsere Initiative in keiner Weise. Der Initiativtext sieht nämlich Ausnahmen aus gesundheitlichen, sicherheitsrelevanten, klimatischen (z. B. im Wintersport) sowie aus Gründen des einheimischen Brauchtums (Fasnacht, Volksbräuche) vor. Darum empfiehlt das Initiativkomitee: Ja verhuellungsverbot.ch Der Text auf dieser Doppelseite stammt vom Initiativkomitee. Es ist für den Inhalt und die Wortwahl verantwortlich. 16 Erste Vorlage: Verhüllungsverbot Argumente Bundesrat und Parlament Der Bundesrat anerkennt, dass die Vollverschleierung Un- behagen auslösen kann. Ein schweizweites Verbot geht aber zu weit. Die Gesichtsverhüllung ist in der Schweiz ein Randphänomen. Die Initiative greift zudem in die Zustän- digkeit der Kantone ein. Bundesrat und Parlament stellen der Initiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber und schliessen gezielt eine Lücke: Alle Personen müssen den Behörden ihr Gesicht zeigen, wenn dies für die Identi- fizierung notwendig ist. Bundesrat und Parlament lehnen die Volksinitiative insbesondere aus den folgenden Grün- den ab: Vollverschleierung ist ein Rand- phänomen Frauen, die ihr Gesicht gänzlich verhüllen, können zwar ein Unbehagen auslösen, sind in der Schweiz aber selten anzutreffen. In erster Linie handelt es sich dabei um Touristin- nen, die sich nur vorübergehend hier aufhalten. Ein schweiz- weites Verbot wäre übertrieben. Kantonale Zuständigkeit wahren Verbot ist kontraproduktiv Dort, wo sie Handlungsbedarf sehen, können die Kanto- ne eine Regelung erlassen. Bundesrat und Parlament wollen beim bewährten Grundsatz bleiben, dass die Kantone selber entscheiden, ob sie die Gesichtsverhüllung verbieten möchten. Sie kennen die Anliegen ihrer Bevölkerung am besten. So kann jeder Kanton gemäss den eigenen Bedürfnissen regeln, wie er beispielsweise mit vollverschleierten Touristinnen umgeht. Zugleich würde ein schweizweites Verbot aber nicht die ein- heitliche Lösung bringen, welche die Initianten versprechen: Unterschiedliche Regelungen in den Kantonen zur Durchset- zung des Verbots könnten zu einem Flickenteppich führen, etwa bei den Bussen. Die Initiative verspricht, der Unterdrückung der Frau entgegenzuwirken. Allerdings stärkt ein Verhüllungsverbot die Stellung der verschleierten Frauen nicht. Im Gegenteil: Es könn- te dazu führen, dass diese Frauen nicht mehr am öffentlichen Leben teilnehmen. 17 Verhüllung kann schon heute Konsequenzen haben Gegenvorschlag löst Probleme gezielt Empfehlung von Bundesrat und Parlament Bereits heute kann die Vollverschleierung rechtliche Folgen haben. Ist sie Ausdruck mangelnder Integration, können die Behörden die Erteilung der Aufenthalts- und der Niederlassungsbewilligung oder auch die Einbürgerung verweigern. Ausserdem macht sich schon gemäss geltendem Recht strafbar, wer eine Frau zwingt, ihr Gesicht zu verhüllen. Eine zusätzliche Bestimmung in der Bundesverfassung hätte nur symbolische Bedeutung. Bundesrat und Parlament sind sich bewusst, dass Gesichts- verhüllungen vereinzelt zu konkreten Problemen führen können. Der indirekte Gegenvorschlag ermöglicht es, gezielt darauf zu reagieren. Die Initiative sieht eine unnötige und zu starre Lösung für die ganze Schweiz vor. Im Gegensatz zur Initiative respektiert der Gegenvorschlag die bewährte Zustän- digkeit der Kantone. Aus all diesen Gründen empfehlen Bundesrat und Parlament, die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» abzulehnen. Nein admin.ch/verhuellungsverbot 18 Erste Vorlage: Verhüllungsverbot § Abstimmungstext Bundesbeschluss zur Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» vom 19. Juni 2020 Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 139 Absatz 5 der Bundesverfassung1, nach Prüfung der am 15. September 20172 eingereichten Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot», nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 15. März 20193, beschliesst: Art. 1 1 Die Volksinitiative vom 15. September 2017 «Ja zum Verhüllungsverbot» ist gül- tig und wird Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet. 2 Sie lautet: Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert: Art. 10a Verbot der Verhüllung des eigenen Gesichts 1 Niemand darf sein Gesicht im öffentlichen Raum und an Orten verhüllen, die öffentlich zugänglich sind oder an denen grundsätzlich von jedermann beanspruch- bare Dienstleistungen angeboten werden; das Verbot gilt nicht für Sakralstätten. 2 Niemand darf eine Person zwingen, ihr Gesicht aufgrund ihres Geschlechts zu ver- hüllen. 3 Das Gesetz sieht Ausnahmen vor. Diese umfassen ausschliesslich Gründe der Gesundheit, der Sicherheit, der klimatischen Bedingungen und des einheimischen Brauchtums. Art. 197 Ziff. 124 12. Übergangsbestimmung zu Art. 10a (Verbot der Verhüllung des eigenen Gesichts) Die Ausführungsgesetzgebung zu Artikel 10a ist innert zweier Jahre nach dessen Annahme durch Volk und Stände zu erarbeiten. 1 SR 101 2 BBl 2017 6447 3 BBl 2019 2913 4 Die endgültige Ziffer dieser Übergangsbestimmung wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt. 19 Art.2 Die Bundesversarnrnlung ernpfiehlt Volk und Standen, die Initiative abzulelmen Bundesrat und Parlament empfehlen, am 7. März 2021 wie folgt zu stimmen: Nein Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot»